Das Labyrinth der Lichter. Roman by Carlos Ruiz Zafón

Das Labyrinth der Lichter. Roman by Carlos Ruiz Zafón

Autor:Carlos Ruiz Zafón [Ruiz Zafón, Carlos]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104033426
Herausgeber: FISCHER E-Books


Sie schloss die Augen und begann, Leandros Bericht zu zerpflücken. Schon als sie noch eine Heranwachsende war, hatte er selbst ihr beigebracht, immer mit weit aufgesperrten Ohren und Augen zuzuhören und zu lesen. »Die Eloquenz eines Berichts ist direkt proportional zur Intelligenz dessen, der ihn formuliert, so wie seine Glaubwürdigkeit zur Dummheit dessen, für den er bestimmt ist«, hatte er immer gesagt.

Sanchís’ Geständnis, in der Version, die Gil de Partera Leandro referiert hatte, war scheinbar perfekt, vor allem weil es genau das nicht war. Es erklärte sozusagen alles Vorgefallene, ließ aber einiges ungeklärt, wie es bei den glaubhaftesten Erklärungen immer der Fall ist. Die Wahrheit ist nie vollkommen und passt nie zu sämtlichen Erwartungen. Sie wirft immer Zweifel und Fragen auf. Nur die Lüge ist hundertprozentig glaubhaft, weil sie die Wirklichkeit nicht zu erklären, sondern uns einfach zu sagen braucht, was wir hören wollen.

Nach einer Viertelstunde begann die Tablette zu wirken, und der Schmerz ebbte allmählich zu einem stechenden Kribbeln ab, das zu ignorieren sie gewohnt war. Sie griff unters Sofa und zog den Karton mit Brians’ Unterlagen hervor. Sie kam nicht umhin zu schmunzeln bei dem Gedanken, wie den ganzen Vormittag Leandros erhabenes Gesäß ohne sein Wissen auf diesen Informationen geruht hatte. Sie warf einen Blick auf die Mappen. Zum guten Teil – oder wenigstens soweit es interessierte – war das alles schon in die offizielle Lesart des Falls aufgenommen worden. Als sie jedoch bis auf den Grund der Kiste vordrang, fand sie den handschriftlich mit ISABELLA gekennzeichneten Umschlag wieder. Sie öffnete ihn, förderte ein Notizheft zutage und schlug es auf der ersten Seite auf. Da glitt ein dünnes Kartonstückchen heraus, ein altes Foto, dessen Ränder schon in Auflösung begriffen waren. Das Bild zeigte ein junges Mädchen mit hellen Haaren und lebhaftem Blick, das in die Kamera strahlte, das ganze Leben noch vor sich. Etwas in diesem Gesicht erinnerte sie an den jungen Burschen, dem sie beim Verlassen der Buchhandlung Sempere & Söhne begegnet war. Auf der Rückseite erkannte sie die Handschrift von Anwalt Brians:

Isabella



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